Pressebericht Nibelungen Kurier vom 04.07.2013
Ulrike Knies im Gespräch mit Astrid Frohloff – Neue Leitbilder für eine alternde Gesellschaft
Wirtschaftsforum der Volksbanken und Raiffeisenbanken am Dienstagabend im WORMSER Mozartsaal
Von Judith Oberle
Ulrike Knies im Gespräch mit Astrid Frohloff
“Die Arbeitswelt von morgen” war Thema bei der Gesprächsrunde von David Langner, Margret Suckale, Astrid Frohloff, Dr. Frank Schirrmacher und Ulrike Knies (von links). Foto: Lili Judith Oberle
Der demografische Wandel kann nur erfolgreich bewältigt werden, wenn er als alle Bereiche der Gesellschaft betreffender Veränderungsprozess verstanden wird. Dabei müssen die entscheidenden Impulse für politisches Handeln aus den Unternehmen kommen. Dies war eine der zentralen Erkenntnisse des Wirtschaftsforums “Die Zukunft der Arbeit: Szenarien für eine alternde Gesellschaft” vor rund 200 Teilnehmern aus der mittelständischen Wirtschaft am Dienstag im WORMSER.
Vor knapp zehn Jahren hat er mit seinem Demografie-Bestseller „Das Methusalem-Komplott“ die Republik aufgerüttelt: Frank Schirrmacher. Eine Dekade später ist, so der FAZ-Mitherausgeber in seinem Impulsvortrag, das Problem zwar breit im öffentlichen Bewusstsein angekommen, es werde aber durch die Fokussierung auf die Finanzierung der Renten “eine irreführende Debatte geführt. Das ist in Wahrheit unser kleinstes Problem. Denn die Biologie der gesamten Gesellschaft wird sich komplett neu definieren: Grundlegende Veränderungen von Politik, Märkten und Kultur kommen auf uns zu.” Schon vor 40 Jahren hätten Vordenker wie Kurt Biedenkopf ein zutreffendes Bild der demografischen Probleme gezeichnet, die Politik aber keine entsprechenden Konsequenzen gezogen.
Demografische Entwicklung im Bankgeschäft sehr präsent
Eine große Gefahr solcher Megatrends liegt in ihrer Charakteristik, nämlich der schleichenden Entwicklung. Alltägliche Herausforderungen, gepaart mit medialen Allgemeinplätzen können zu gefährlicher Ignoranz führen. Erst die Erkenntnis, welche Auswirkungen und Bedeutung der demografische Wandel für das eigene Unternehmen hat, führt zu konkreten Handlungsansätzen. Darauf hatte zu Beginn bereits Bernd Hühn, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Alzey-Worms eG, aufmerksam gemacht. An praktischen Beispielen aus dem Bankgeschäft verdeutlichte er, wie der demografische Wandel schon heute wirkt. Während bei den Privatkunden Themen wie Altersvorsorge und Erben immer mehr an Bedeutung gewinnen, ist es bei den Firmenkunden die Unternehmensnachfolge. So wirke sich die Nachfolgefrage auf die Bonitätseinschätzung für das Unternehmen aus und damit auf die Konditionsgestaltung. Als Arbeitgeber sei man zudem bei der Nachwuchssuche mit drastisch rückläufigen Bewerberzahlen konfrontiert. Die vor einem Jahr vollzogene Fusion zweier Häuser zur heutigen Volksbank Alzey-Worms eG habe nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung stattgefunden.
BASF-Vorstandsmitglied Margret Suckale gab einen Einblick, wie der Chemiekonzern dieser Entwicklung begegnet. Ein Schwerpunkt sei, die physische Arbeit so zu gestalten, dass auch Ältere diese leisten könnten. Dazu kommen medizinische Betreuung und neue Sportangebote, vom jährlichen medizinischen Checkup durch Betriebsärzte bis zum eigenen Fitness-Studio auf dem Gelände des Stammwerks.
Mittelstand punktet mit familiärer Bindung
Die Möglichkeiten eines mittelständischen Betriebs mit 80 Arbeitnehmern sehen naturgemäß anders aus als die eines Weltkonzerns. Für Ulrike Knies, Geschäftsführerin von Elektro Knies GmbH und Elt Point Knies GmbH in Worms, ist in Zeiten abnehmender familiärer Bindungen das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem Familienunternehmen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Man biete aber auch eine Rückenschule, unterhalte eine eigene Lehrwerkstatt und sei demnächst bei Facebook aktiv. Auch Bildungswege wie die Berufsakademie und die Meisterschule würden unterstützt, so Knies, die das Unternehmen in dritter Generation führt.
David Langner, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, verwies auf die Situation im ländlichen Raum. Dort gelte es, eine funktionierende Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten. In seinem Bundesland sei es durch eine dezentrale Infrastruktur mit vergleichsweise kleinen Krankenhäusern gelungen, kurze Wege zu gewährleisten. Als Handlungsfeld für die Politik benannte er auch das Potenzial jüngerer Menschen, die in vergangenen Jahren des Überangebots dem Arbeitsmarkt verloren gegangen seien. Man dürfe nicht einseitig auf Zuwanderung setzen, sondern müsse auch die heimischen Ressourcen ausschöpfen.
Optimismus trotz aller Komplexität nötig
Bei aller Komplexität der demografischen Herausforderung gab Frank Schirrmacher doch einen optimistischen Ausblick: “Noch nie hatte die Generation der 40-50jährigen eine so große Spanne aktiven und erfüllten Lebens vor sich.” Dazu gehöre u.a. auch Erwerbsarbeit. Dies anzuerkennen sei der Schlüssel zur Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen, insbesondere der Verteilungskonflikte. Deshalb gelte es, die derzeit noch dominanten Leitbilder vom „alt sein“ aus dem 19. Jahrhundert zu überwinden.